Trotz der vielfach berichteten hohen Belastung und dem Bedürfnis nach professioneller Unterstützung, nimmt nur ein Teil der Angehörigen von Palliativpatienten verfügbare Angebote wahr. Die vorliegende Arbeit untersucht das Inanspruchnahmeverhalten erwachsener Angehöriger am Beispiel der Dialektischen Gruppenintervention (DGI) des Interdisziplinären Zentrums für Palliativmedizin (IZP) am Universitätsklinikum München-Großhadern.
94 Angehörige, die sich gegen eine Teilnahme entschieden, füllten zeitnah zur Entscheidungssituation einen Fragebogen aus. 83 Personen wurden ein Jahr nach der Entscheidung gegen eine Inanspruchnahme befragt. Als Vergleichsstichprobe dienen diejenigen Angehörigen, die sich zu einer Teilnahme entschieden (N = 160) und im Rahmen der DGI-Evaluationsstudie entweder der Interventions- oder der Kontrollgruppe zugeteilt wurden.
Angehörige, die sich gegen eine Inanspruchnahme entscheiden, sind älter, geringer belastet, haben häufiger Kinder und einen Hauptschulabschluss. Die erkrankten Familienmitglieder dieser Angehörigen sind ebenfalls eher älter, wurden häufiger nicht am IZP betreut und waren häufiger bereits verstorben. Zudem sind die Angehörigen, die sich zu einer Teilnahme entscheiden, häufiger bereits in psychotherapeutischer Behandlung. Ein multivariates Modell, basierend auf dem Behavioral Model of Health Service Use (Andersen, 1968, 1995), ergab, dass das Alter des Angehörigen, die betreuende Institution, die genutzte soziale Unterstützung und das subjektive Wohlbefinden einen signifikanten Einfluss auf die Inanspruchnahme der DGI haben. Ein Jahr nach der Entscheidung sind Angehörige, die sich gegen eine Inanspruchnahme entschieden, zufriedener mit ihrem Leben und weniger depressiv als Angehörige, die an der DGI teilnahmen bzw. im Rahmen der Evaluationsstudie randomisiert einer Kontrollgruppe zugeteilt wurden. Zudem geben sie eine höhere Lebensqualität an als die Kontrollgruppe.
Die Ergebnisse implizieren, dass die Unterstützungsgruppe vor allem von Angehörigen genutzt wird, die einer stärkeren Belastung ausgesetzt sind. Die Mehrheit der Angehörigen von Palliativpatienten scheint eine Unterstützung durch psycho-soziale Angebote nicht zu benötigen, dennoch weisen die Ergebnisse auf eine Risikogruppe von Angehörigen hin, die hoch belastet sind, aber professionelle Hilfe ablehnen. Auf diese Risikogruppe, und wie diese durch psychosoziale Angehörigenarbeit erreicht werden kann, sollte in zukünftigen Arbeiten ein Fokus gesetzt werden.
Entnommen aus o.g. Diplomarbeit.